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8. März 1940: Die Polen-Erlasse

Die am 8. März 1940 eingeführten Polen-Erlasse zielten auf die rassistische Diskriminierung und Ausbeutung der polnischen Zwangsarbeiter.

Im folgenden Hörstück erzählen eine Zeitzeugin und zwei Zeitzeugen, wie sich die Polen-Erlasse auf ihr Leben als polnische Zwangsarbeiter auswirkten. Kazimierz B. arbeitete in der Henschel-Flugzeugfabrik in Berlin, Janina Halina G. bei der AEG in Hennigsdorf, Karol S. in einer Gärtnerei in Oberschlesien.

8. März 1940: Polen-Erlasse. Ausschnitte aus den Interviews mit Janina Halina G., Kazimierz B. und Karol S. Archiv „Zwangsarbeit 1939-1945", Dauer 09:57 Minuten, Konzept und Schnitt: Ewa Czerwiakowski, Cord Pagenstecher und Tobias Kilgus, © Freie Universität Berlin 2015

Fotos und Dokumente:

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Die Polen-Erlasse

Während des Zweiten Weltkrieges wurden nahezu drei Millionen Menschen aus Polen nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt. Als Heinrich Himmlers Reichssicherheitshauptamt am 8. März 1940 die sogenannten Polen-Erlasse erließ, befanden sich in Deutschland bereits eine knappe Million polnische Zwangsarbeiter. Der Zweck der Verordnungen waren die wirtschaftliche Ausbeutung und die rassistische Ausgrenzung der Polen aus der deutschen „Volksgemeinschaft“.

Dem diente die Kennzeichnungspflicht durch den Buchstaben „P“ an der Kleidung, die erste sichtbare Stigmatisierung von Menschen im Reich. Hinzu kamen Verbote. Die polnischen Zwangsarbeiter durften den zugewiesenen Wohnort nicht verlassen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, abends galt für sie Ausgangsverbot. In manchen Orten durften sie sogar bestimmte Straßen nicht betreten. Der Besuch von Kirchen, Gaststätten, Kinos, Theatern und kulturellen Veranstaltungen war ihnen verwehrt.

Rigorose Bestimmungen regelten die Arbeitsverhältnisse. Polnische Zwangsarbeiter bekamen weniger Verpflegung als Deutsche und andere Ausländer. Von ihrem geringen Lohn wurde eine Sondersteuer abgezogen. Sie waren nicht der Strafjustiz, sondern direkt der Gestapo unterworfen. Ohne handfesten Grund konnten sie zur Strafe in ein sogenanntes Arbeitserziehungslager eingewiesen werden.

Alle privaten Kontakte zwischen Deutschen und Polen waren verboten. Intime Beziehungen endeten für die Frauen aus Polen nicht selten mit einer KZ-Haft und für die Männer sogar mit der Todesstrafe. Die Zahl derjenigen, die für „das Verbrechen Liebe“ hingerichtet wurden, ist bis heute nicht erforscht. Alleine für Oberpfalz und Niederbayern sind 22 solche Fälle nachgewiesen.

Die Polen-Erlasse waren bindend für Arbeitgeber und lokale Behörden. Die NSDAP und ihre Parteigenossen propagierten die rassistische Einstellung in der deutschen Bevölkerung. Entsprechend wurden die Polen behandelt: als minderwertige Menschen, die zur bloßen Arbeitskraft reduziert wurden. Zu ihrer täglichen Erfahrung gehörten Erniedrigung, Angst und Hunger.

Veranstaltung anlässlich des 75. Jahrestages der Polen-Erlasse

Am 12. März 2015 organisierten das Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität Berlin sowie das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften (CBH PAN Berlin) in Kooperation mit der Berliner Geschichtswerkstatt e.V. und der Stiftung Topographie des Terrors/ Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit eine Veranstaltung anlässlich des 75. Jahrestages der Polen-Erlasse.

Literatur und Links:

  • Czesław Łuczak, Polnische Arbeiter im nationalsozialistischen Deutschland während des Zweiten Weltkriegs, in: Ulrich Herbert (Hrsg.), Europa und der Reichseinsatz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Deutschland 1938-1945, Essen 1991
  • Thomas Muggenthaler, Verbrechen Liebe: Von polnischen Männern und deutschen Frauen – Hinrichtungen und Verfolgung in Niederbayern und der Oberpfalz während der NS-Zeit, Viechtach 2010
  • Kurt Schilde, „Sozialausgleichsabgabe“. Eine Sondersteuer für Polen, „Juden“ und „Ostarbeiter“ und die Karriere ihres Kommentators, in: Helmut Bräutigam, Doris Fürstenberg, Bernt Roder (Red.), Zwangsarbeit in Berlin 1938-1945. Hrsg. vom Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen, Berlin 2003
  • http://www.zwangsarbeit-in-goettingen.de/texte/polenerlasse.htm
  • http://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/
  • Hörstück zu den "Ostarbeiter"-Erlassen
  • Themenfilm zum Überfall auf Polen

Biographische Daten

Kazimierz B.

  • geboren 1926 in Stęszew (Polen)
  • bis 1939 Grundschule in Poznań
  • 1939 Flucht des Vaters ins Generalgouvernement
  • 1941 Zwangsschulung in einer Metallfabrik in Poznań
  • 1942–1945 Zwangsarbeit bei Henschel-Flugzeugfabrik in Berlin-Johannisthal, dann in Berlin-Schönefeld
  • 1945 Befreiung und Rückkehr nach Polen
  • Neubeginn in der ehemals deutschen Stadt Sulechów
  • Heirat, Geburt der Kinder
  • Weiterbildung und Arbeit in einer sozialistischen Genossenschaft
  • Umzug nach Olsztyn und beruflicher Aufstieg
  • ab 1990 Tätigkeit im „Verein der durch das Dritte Reich geschädigten Polen“

Janina Halina G.

  • geboren 1926 in Łódź (Polen)
  • bis 1939 Besuch der Volksschule und Aufnahmeprüfung für das Handelsgymnasium
  • 1941 bis 1943 Arbeit als Minderjährige in Łódź
  • 1943-1945: Verschleppung und Arbeit in einem Rüstungsbetrieb der AEG in Hennigsdorf bei Berlin
  • 1945 kurzzeitige Verhaftung wegen Hilfe für KZ-Häftlinge
  • April 1945 Befreiung und Heimkehr
  • Studium und Arbeit als Geschäftsführerin
  • 1987 bis 1993 Tätigkeit im „Verein der durch das Dritte Reich geschädigten Polen“
  • 1995 Besuch in Berlin und Hennigsdorf
  • 2014 gestorben in Łódź

Karol S.

  • 1924 geboren bei Oświęcim (Polen)
  • bis 1939 Grundschule und Beginn der Ausbildung für Gärtner
  • Januar 1941 Verschleppung zur Zwangsarbeit
  • bis 1945 Arbeit als Gärtner in Reigesfeld (heute polnisches Bierawa) in Oberschlesien
  • März 1945 Befreiung und Heimkehr nach Oświęcim
  • Nachholung der Ausbildung
  • 1948 Heirat, Geburt der Kinder
  • Arbeit als Landwirtschaftslehrer, dann in der Verwaltung der Chemischen Werke Oświęcim
  • 1980 Mitgründung der Gewerkschaft „Solidarność“
  • ab 1984 in Rente