Das Interview als Artefakt. Zur Kritik der Zeitzeugenforschung, in: BIOS Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 13, 2000, S. 51-63
Welzer, Harald – 2000
Der Verfasser zeigt unter Rückgriff auf gedächtnispsychologische, interaktionstheoretische und erzähltheoretische Überlegungen, dass in Interviews berichtete Erinnerungen an Erlebnisse und Geschehnisse nicht mit Erlebnissen und Geschehnissen in der historischen Situation gleichgesetzt werden dürfen. Vielmehr müssen Zeitzeugenerzählungen als adressatenbezogene Konstruktionen aufgefasst werden, in denen biographische Erfahrungen nach ihrer sozialen und emotionalen Bedeutsamkeit, nach narrativen und normativen Erfordernissen und nach Maßgabe nachträglichen Wissens jeweils neu figuriert und präsentiert werden. Der Historiker muss das Zeitzeugeninterview daher als Quelle dafür betrachten, wie etwas von heute aus als vergangenes Ereignis wahrgenommen wird. (ICE2)