Springe direkt zu Inhalt

Sinti und Roma: Der Beginn der Verfolgung

Der in Ostpreußen geborene Sinto Reinhard F. überlebte die nationalsozialistischen Lager. Im folgenden Video berichtet er, wie sich Ausgrenzung, Zwangsarbeit und Verfolgung der Sinti und Roma in den 1930er Jahren allmählich verschärften.

Sinti und Roma: Der Beginn der Verfolgung. Ausschnitte aus dem Video-Interview mit Reinhard Florian, Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945", Dauer 07:40 Minuten, Schnitt: Alexander von Plato, Loretta Walz, Bearbeitung: Tobias Kilgus, Cord Pagenstecher © Freie Universität Berlin 2012

Porajmos – der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma

Sinti und Roma sind seit Jahrhunderten in Europa lebende Gruppen. In Deutschland wurden sie besonders vom 19. Jahrhundert an diskriminiert. Seit 1906 galt in Preußen die „Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“. Die Nationalsozialisten verfolgten die „Zigeuner“ aus rassistischen Gründen und verboten ihnen – wie der jüdischen Bevölkerung – seit 1935 Ehen mit „Ariern“ (Nürnberger Gesetze). Durch das Reichsbürgergesetz verloren Sinti und Roma die deutsche Staatsbürgerschaft.

Bald darauf verloren sie ihre Arbeitsplätze oder mussten ihre Geschäfte aufgeben; Jugendliche erhielten keine Lehrstellen. 1938 wurden bei der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ so genannte Asoziale, unter ihnen Tausende Sinti, von der Kriminalpolizei verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt, viele zwangssterilisiert oder ermordet. Seit 1939 durften Sinti und Roma ihren Wohnort nicht mehr verlassen; wenig später begannen die systematischen Deportationen in die Konzentrationslager, vor allem nach Auschwitz.

Sinti und Roma nennen den Völkermord auf Romani Porajmos („das Verschlingen“). Europaweit forderte der Porajmos 100.000 bis 500.000 Opfer, die genaue Zahl ist noch nicht bekannt.

Die Überlebenden wurden auch nach 1945 diskriminiert; erst spät erhielten die Ausgebürgerten ihre Staatsangehörigkeit zurück. In vielen Ländern Europas sind Sinti und Roma noch immer von Ausgrenzung und Gewalt betroffen.

Zu ihrem jahrelangen Kampf um Entschädigung und Anerkennung gehörte auch der Wunsch nach einem zentralen Denkmal in Berlin. Das von Dani Karavan entworfene Mahnmal zwischen Reichstag und Brandenburger Tor wurde am 24.10.2012 eingeweiht.

Literatur und Links:

Biografische Daten

Reinhard Florian

  • 1923: geboren bei Insterburg in Ostpreußen
  • 1937: Schulentlassung, Zwangsverpflichtung in die Landwirtschaft
  • 1941: Verhaftung, Odyssee durch Gefängnisse, Einlieferung in das KZ Mauthausen, Sklavenarbeit im Steinbruch
  • 1942: Sklavenarbeit in den KZ Auschwitz, Monowitz, Rydultau und Blechhammer
  • 1945: Todesmarsch, Befreiung in Mauthausen/Ebensee. Zunächst arbeitsunfähig, staatenlos, wohnhaft in Bayreuth
  • 1952: erste Heirat
  • 1953: Umzug nach Aschaffenburg
  • 1957: nach langer Arbeitsunfähigkeit Arbeit auf dem Bau
  • 1958: zweite Heirat, zwei Söhne
  • 1990er Jahre: Kampf um Anerkennung und Entschädigung
  • 2012: Veröffentlichung der Autobiografie "Ich wollte nach Hause, nach Ostpreußen"
  • 2014: am 17. März verstirbt Reinhard Florian

Aus dem Interview mit Reinhard F. ist ein biografischer Kurzfilm (Dauer 25 Minuten) erstellt worden. Er steht - zusammen mit der biografischen Karte, Aufgabenstellungen und weiteren Zusatzmaterialien - auf der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews. Zwangsarbeit 1939-1945".